Gedanken
Gedanken/26
Sie öffnet die Türe. Gegen ihre Erwartung schlägt ihr nicht der sonst so frostige Wind des Winters ins Gesicht. Es ist eigentlich ganz angenehm. Hinter ihr gehen die anderen Schüler aus dem Zimmer nach draußen. Sie läuft nach links und biegt dann den schmalen Fußgängerweg nach rechts ein. Hier ist es so dunkel, dass man kaum die Hand vor den Augen sieht. Keine Straßenlaterne erhellt die Nacht. Trotzdem verspürt sie keine Angst. Während sie ihr Handy und die Köpfhörer aus ihrer Jackentasche holt, atmet sie tief die frische Nachtluft ein. Ganz automatisch schließen sich kurz ihre Augen. Schon steckt erst der rechte, dann der linke Kopfhörer in ihren Ohren. Gezielt tippt sie auf ihrem Display ein Album an - Night Visions. Sie lächelt, als ihr auffällt, dass der Titel genau zu ihrer Situation passt. Das erste Lied beginnt und schon ist sie in einer anderen Welt. Langsam und bedacht setzt sie einen Fuß vor den anderen. In diesem Augenblick kann sie endlich einmal selber entscheiden, wie schnell sie laufen wird. Endlich wird sie nicht von der Hektik der anderen angesteckt, denn sie ist allein in dem kleinen Ort. Endlich muss sie nicht gleich zu ihrem nächsten Termin hetzen, denn es wartet nur noch das Bett auf sie. Endlich kann sie wieder spüren, wie es sich anfühlt, frei zu sein, ganz sie selbst zu sein. Ohne darauf zu achten, sind ihre Beine den richtigen Weg Richtung zu Hause gelaufen. Sie stellt fest, dass es nicht mehr weit ist, obwohl sie so viel langsamer als sonst gelaufen ist. Es hat sich schneller angefühlt. Noch einmal reduziert sie ihr Tempo und passt es nun dem Takt des zweiten Liedes an. Your time will come, if you wait for it, if you wait for it. It's hard, believe me, I've tried. But I keep coming up short. Ihre Lippen formen die Worte, die sich so vertraut anfühlen. Kurz meint sie, eine Träne in ihrem Augenwinkel zu spüren. Die Ampel wird gerade grün, als sie dort ankommt. Sie läuft über die Straße, wohl wissend, dass sie jetzt gleich daheim sein wird, aber sie schaut nicht auf, um das Haus anzusehen, in dem sie jetzt schon seit über 10 Jahren wohnt. Der nächste Song beginnt. Das Lied, auf das sie eigentlich die ganze Zeit gewartet hatte. Aber sie ist zu schnell gelaufen, obwohl sie doch so viel langsamer ist, als sonst. Sie überquert den Hof, setzt sich auf die Bank, die kurz vor der Eingangstüre steht und sieht in die dunkle Nacht hinaus. When your eyes are red and emptiness is all you know. Doch dieses Mal denkt sie nicht an die Zeit, die jetzt schon so lange zurückliegt, die sie aber jedes Mal wieder traurig stimmt, wenn sie sich daran erinnert. Dieses Mal schließt sie einfach die Augen, atmet die frische Nachtluft ein und lauscht dem Lied, dass dieses angenehme Gefühl in ihrem Bauch entstehen ließ. With the darkness fed, I will be your scarecrow. Denn sie ist nicht allein.

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blue_rose, Montag, 10. Februar 2014, 22:37
wunderschön <3

sprueche, Montag, 10. Februar 2014, 22:38
Dankeschön ♥
Das war es auch